Das Königskloster Brou, Margarethe von Österreich oder die Vollendung Burgunds
1460 erhielt Philippe II, Sohn des Herzogs von Savoyen und Schwager des Königs Ludwig XI die Grafschaft Bresse als Leibgedinge und wählte Pont d’Ain zum Herrensitz.
Das Gelöbnis der Margarethe von Bourbon
1480 erlitt Philippe einen lebensgefährlichen Reitunfall, in dessen Folge seine Gattin Margarethe von Bourbon gelobte, aus dem alten Priorat Brou ein prachtvolles Kloster zu schaffen, sollte Philippe geheilt werden. Philippe überlebte aber Margarethe konnte ihr Gelöbnis nicht einlösen, da sie drei Jahre später, 1483 starb. Jedoch hatte sie ihren Sohn Philibert der Schöne testamentarisch beauftragt ihr Gelöbnis zu erfüllen. Philibert der Schöne hatte 1501 Margarethe von Österreich geheiratet und da Philibert 1504 starb, erbte Margarethe das Versprechen ihrer Schwiegermutter.
Margarethe von Österreich
Margarethe von Österreich erblickte am 10.01.1480 in Brüssel das Licht der Welt und war die Tochter von Maximilian von Habsburg (dem späteren Kaiser) und Maria von Burgund, der einzigen Tochter Karl des Kühnen. Ihr älterer Bruder, der bereits erwähnte Philipp I. von Österreich, genannt der Schöne, war bereits am 22. Juli 1478 in Brügge zur Welt gekommen. Durch seinen frühen Tod am 25. September 1506 in Burgos konnte Philipp die Krone des Heiligen Römischen Reichs nicht von seinem Vater Maximilian I. übernehmen aber über seine Söhne Karl und Ferdinand wurde er der Stammvater der spanischen Könige sowie der folgenden römisch-deutschen und österreichischen Kaiser.
Mit 3 Jahren an den französischen Hof
Im Frieden von Arras 1482 vereinbarten der französische König, Ludwig XI und Maximilian u.a. das spätere Eingehen der Ehe zwischen Margarethe und dem 13-jährigen französischen Dauphin Karl. So wurde Margarethe im zarten Alter von drei Jahren, am 23. Juni 1483 vermählt und zog an den französischen Hof, wo sie eine exzellente Ausbildung erhielt. Als jedoch zehn Jahre später, Maximilian versuchte Anne von Bretagne zu heiraten, intervenierte der französische Hof militärisch, vermählte Karl VIII kurzer Hand mit Anne und verstieß die 13-jährige Margarethe, die gedemütigt zu ihrem Vater nach Brüssel zurückkehrte.
Mit 13 Jahren an den spanischen Hof
Dieser verheiratete sie zwei Jahre später mit dem Sohn des spanischen Königs, dem Infante Don Juan de Castilla. Der kränkliche Juan starb jedoch 1497 und Margarethe brachte ein todgeborenes Kind auf die Welt, weshalb sie 1500 Spanien verlassen, und abermals zu ihrem Vater zurückkehren musste.
Mit 21 Jahren: aus Zwangsehe wird eine große Liebe
Der vermählte sie schon bald wieder, nämlich 1501 mit Philibert von Savoyen. Aus dieser Zwangsehe entstand aber eine große Liebe, die aber mit Philiberts Tod, am 10. September (dem Tag des heiligen Nikolaus von Tolentino) 1504, ein frühes Ende fand.
Margarethe erbt und erfüllt das Gelöbnis ihrer Schwiegermutter
Margarethe war untröstlich und der Ausbau des Klosters von Brou war fortan Sinn und Inhalt ihres Lebens. Da Brou dem heiligen Nikolaus von Tolentino, einem Augustiner, geweiht werden sollte, mussten die bis dahin in Brou ansässigen Benediktiner weichen. Die sehr auf ihren Komfort bedachten Augustiner legten großen Wert auf „angemessenen Unterkünften und hielten sich mit Bitten und Begehren nicht zurück: so bestanden sie auf mehreren Kreuzgängen und Überdeckung der Säle mit Gewölben aus Stein (anstatt Balkendecken).
Margarethe von Österreich: Regentin in Burgund und Pflegemutter des künftigen deutschen Kaiser Karl V
Als Margarethes Bruder, Philipp der Schöne 1506 starb und seine Witwe, Johanna I. von Kastilien, (genannt Johanna die Wahnsinnige) unter einer psychischen Erkrankung litt und in einem spanischen Kloster untergebracht war, bestimmte Maximilian seine Tochter Margarethe sowohl zur Regentin in Burgund, als auch zur Pflegemutter des sechsjährigen Karl und seiner Schwestern. Mit allem Nachdruck erzog Margarethe ihren Neffen zur Erbfolge und bereitete ihn sorgfältig auf die fürstlichen Aufgaben seines künftigen Lebens vor. Die politisch und geistig hochbegabte aber auch kunstverständige Statthalterin erzog die ihr anvertrauten Kinder liebevoll, ließ sie von niederländischen und spanischen Gelehrten unterrichten. An ihren von der flandrischen Kultur geprägten Höfen in Brüssel und Mechelen, versammelte sie ausgewählte Künstler und Gelehrte, was diese zu Zentren des Renaissance-Humanismus werden ließ.
Kloster Brou Zeugnis des Ruhmes und der Macht
1509 bestimmte Margarethe testamentarisch das Kloster Brou als ihre letzte Ruhestätte. Kurz darauf meldeten sich 1510 die Augustinermönche, die ein für ihr Leibeswohl vorbehaltenen Kreuzgang mit Ofen, Wärmeraum und Brotkammer verlangten. Wollte sie sicherstellen, dass die Mönche inbrünstig für ihr und das Seelenheil ihres verstorbenen Gattens beteten, musste Margarethe den Wünschen der Augustiner nachkommen. Aber Brou war ohnehin schon mehr, als nur die Grabstätte von Philip, Philibert und ihren Ehepartnern. Nahe an der Saône, der Grenze zum ungeliebten Frankreich, errichtete Margarethe ein Mausoleum, Zeugnis des Ruhmes, der Macht und des Reichtums der Margarethe von Niederlande.
In der Revolution verschont
1512 erteilte Margarethe dem Wormser Bildhauer Conrat Meit den Auftrag, die von Van Roome entworfenen Gräber in Marmor und Alabaster auszuführen. 1513 war die Grundsteinlegung der neuen Kirche. Als Brou fast fertig war, verstarb Margarethe am 30. November 1530, ohne das fertige Kloster je gesehen zu haben. 1532 wurde das Gotteshaus geweiht und Margarethe kurz danach neben ihrem Mann endgültig bestattet.
In den Wirren der französischen Revolution wurde der Augustinerorden 1790 aufgelöst und das Kloster Brou Pivatleuten zum Abriss angeboten. Dass Brou nicht das Schicksal Clunys teilen mussten, ist dem Verwalter des Departements Thomas Riboud zu verdanken, der 1791 die Aufnahme Brous in die Liste nationaler Kulturdenkmahle erwirkte.
Kloster Brou: Schlussakkord der Gotik
In Brou klingt die Gotik aus; das Kloster ist gewissermaßen ihr Schlussakkord. Das in Stein gehauene Flamboyant-Dekor mischt Pflanzenmotive (Kohl, Wein und Eichenblätter) mit den Emblemen des Herzogspaares (Monogramm, Margeriten, Straußenfedern und Liebesseile). Das exquisit gearbeitete Grabmal Philiberts II zeigt den Fürsten von Savoyen als Transi, nur von einem Leichentuch bedeckt und auf der Deckplatte als Gisant in Prunkrüstung. Zehn Sibyllen schmücken das Grab und auch ein Löwe, die Kraft und Macht des Verstorbenen symbolisierend. Realismus, Symbolismus, Motive auch aus der griechischen Mythologie, meisterhafte Ausfertigungen: Schaut man den Chorraum der Kapelle von Brou, dann fällt einem nichts ein, was in der Renaissance besser gemacht worden wäre.
Ende der christlichen, feudalen, europäischen Ordnung
Aber das Königskloster Brou gibt auch Hinweise, weshalb das Burgund seine Funktion als Patron einer christlichen, feudalen, europäischen Ordnung verloren hatte. Brou wurde nicht mehr von den Mönchen selbst getragen. Im Grunde waren die Augustiner Margarethes Angestellte. In den Niederlanden hatten die Stände an Macht gewonnen und letztendlich waren es diese freien Stadtbürger, die nach Freiheit (= niedriger Besteuerung) strebend, ein politischer Faktor wurden, der besonders Karl und Maximilian das Leben erschwerten.
Das burgundische Modell
Das burgundische Modell, der Allianz des Klerus mit dem Adel, wurde durch die Emergenz der selbstbewussten Stände gestört. Besonders in den Niederlanden und im nördlichen Reich, versuchten sich Gesellschaftsteile (z.B. die Hanse), der Fesseln des feudalen Systems zu entledigen. Hier lag der Ursprung des Protestantismus und der französischen Revolution. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Profiteur der Revolution, Napoleon Bonaparte, südlich von Brüssel, bei Waterloo, durch königliche Truppen aus dem protestantischen England und Preußen, in die Schranken verwiesen wurde und somit die Monarchie in Frankreich wieder in den Sattel gehoben wurde. Dass Brüssel heute Sitz der Europäischen Union ist, entbehrt deshalb nicht einer gewissen verschrobenen Logik.
Bilder Quellen:
[[File:L’église de Brou en juin 2014.JPG|thumb|L’église de Brou en juin 2014]]
© Martin Seeger
Quellen
Das Königskloster Brou Benoit-Henry Papounaud. Editions du patrimoine Centre des monuments nationaux Paris 2012 ISBN: 978-2-7577-0199-7