Ludwig I. genannt Ludwig der Fromme, (* 778 bis † 840 )

setzte die  Reformpolitik seines Vaters Karl der Große zunächst erfolgreich fort.  Jedoch meinte Ludwig schon 817, im dritten Jahr seiner Herrschaft, seine Nachfolge regeln zu müssen. Die neue „Regael, Ordinatio imperii“ sollte das „zentrale Verfassungsproblem“ des karolingischen Reiches, der Widerstreit zwischen universalem, unteilbarem Kaisertum und dem traditionellen, fränkischen Erbrecht aller legitimen Königssöhne, aufgegriffen und gelöst werden. 

Ordinatio imperii: Reich und Kirche fortan eine unteilbare Einheit

Reich und Kirche sollten durch die Ordinatio imperii fortan eine unteilbare Einheit bilden, die nicht zugunsten der Nachkommen des Herrschers aufgegeben werden sollte. (Vielleicht vergleichbar mit der Rolle des Papstes, dessen Nachkommen theoretisch ja auch keinen Anspruch auf den Papsttitel hatten.) In der Ordinatio imperii teilte Ludwig das Reich nicht  einfach unter seinen drei Söhnen auf – wie es fränkischem Brauch entsprochen hätte und wie es auch Karl der Große ähnlich in seiner Divisio Regnorum von 806 vorgesehen hatte, sondern fand eine Sonderregel für das Kaisertum, indem er seinen ältesten Sohn Lothar,  nach Akklamation der fränkischen Großen, zum Mitkaiser krönte. Dadurch mussten sich jedoch die nachgeborenen Söhne Pippin und Ludwig Lothar unterordnen, denn sie konnten nur auf „innenpolitischer“ Ebene in ihren Teilreichen entscheiden. Pippin bekam Aquitanien und Ludwig den östlichen Teil des Fränkischen Reichs.

Ludwig selbst unterminierte seine eigene Regel

Die  Ordinatio imperii hätte vielleicht funktionieren können aber Ludwig höchst selbst unterminierte seine eigene Regel: Nachdem seine  erste Gemahlin Irmingard 818 gestorben war, hatte er sich 819 mit der Welfin Judith vermählt. Das Bemühen der neuen Kaiserin, ihrem 823 geborenen Sohn Karl, einen Teil an der Reichsherrschaft zu sichern, entsprach den überkommenen fränkischen Rechtsvorstellungen, lief aber der Ordinatio imperii von 817 zuwider. Auf einer Reichsversammlung in Worms im August 829 lancierte Ludwig der Fromme den Plan, zugunsten Karls eine Neuaufteilung des Reiches vorzunehmen und unterlief dadurch, eine wesentliche Intention der Ordinatio, nämlich die Unterbindung einer weiteren Aufsplitterung der Macht durch Beschränkung des dynastischen Erbrechts.

Vater hält sich nicht an die eigenen Regeln: Die Söhne opponieren

Lothar, als ältester Kaisersohn und Mitregent war durch diese Entscheidung des Vaters unmittelbar betroffen, denn aus seinem Herrschaftsbereich war der Anteil Karls genommen worden. Lothar opponierte und es kam zum Bruch mit dem Vater: Lothar wurde nach Italien verwiesen und als Mitregent abgesetzt. Doch nicht nur Lothar war nun „einigermaßen ungehalten“, auch seine jüngeren Brüder Pippin und Ludwig, sahen ihr Erbe zugunsten des kleinen Halbbruders Karl bedroht. Zudem hatten die Fürste ein großes Interesse an der  Wahrung der Reichseinheit: Männern wie der Abt von Corbie, Wala, der Altkanzler Helisachar und der Erzkapellan Hilduin forcierten eine „loyale Palast-rebellion“, der sich bald auch Pippin, Ludwig und  Lothar anschlossen, wobei der älteste Kaisersohn die Führung des Aufstands übernahm.

Ludwigs erste Absetzung…

Auf der Reichsversammlung von Compiègne Ende Mai 830 wurden die Beschlüsse der Wormser Reichsversammlung aufgehoben, Lothar übernahm die Regierung im Namen seines Vaters, Judith und ihre Brüder wurden in aquitanische Klöster geschickt. Der junge Karl sollte auf ein geistliches Leben als Mönch vorbereitet werden und somit aus dem politischen Leben ausscheiden.

…und come-back.

Aber Ludwig dem Frommen gelang es schon einige Monate später, Ludwig den Deutschen und Pippin von Aquitanien durch Angebote von Gebietsvergrößerungen auf seine Seite zu ziehen. Auf der Reichsversammlung zu Nimwegen im Oktober 830 musste Lothar die Oberherrschaft des Vaters wieder anerkennen und auf dem Hoftag zu Aachen im Februar 831 ließ Ludwig der Fromme die Anführer der Rebellion festsetzen und verurteilen. Ludwig teilte das Reich neu zu Gunsten seiner jüngeren Söhne auf was zeigt, dass Ludwig in der gegebenen Situation selbst das System der Ordinatio von 817 aufgegeben hatte.

Ludwigs zweite Absetzung…

Doch schon 833 kam es zur zweiten Empörung der Söhne gegen den Vater: Die gemeinsamen Interessen und die Furcht vor weiteren Benachteiligungen zugunsten Karls des Kahlen hatten Lothar, Pippin und Ludwig zum erneuten Bündnis gegen den Vater im innerdynastischen Machtkampf zusammengeführt. Bewaffnete Auseinandersetzungen wurden diesmal von beiden Parteien in Kauf genommen und so trafen sich Ende Juni 833 auf dem Rotfeld bei Colmar die Heere Ludwigs und seiner drei Söhne. Zu einem Kampf kam es jedoch nicht.  Papst Gregor IV., dem es daran lag, die Ordinatio imperii durchzusetzen, führte aus dem Heerlager des Kaisers heraus Verhandlungen mit den Söhnen, denen es jedoch gleichzeitig gelang, nach und nach die Parteigänger des Kaisers auf ihre Seite zu ziehen. Lothar I., konnte schließlich sogar den Papst für sich gewinnen und Ludwig wurde abgesetzt. 

Der Sturz Ludwigs sollte diesmal auch kirchlich sanktioniert werden und so erklärten die Bischöfe, allen voran die Erzbischöfe Agobard und Ebo, auf einer Reichsversammlung in Compiègne im Oktober 833, dass Ludwig sein Amt durch schlechtes Regieren verwirkt habe, und mahnten ihn, Kirchenbuße auf sich zu nehmen. Papst Gregor IV musste erkennen, dass er als Marionette missbraucht worden war.

…und zweites come-back

Die Situation im Frankenreich änderte sich jedoch rasch wieder: Lothar agierte zu ungeschickt und wollte gegenüber seinen jüngeren Brüdern eine Vorherrschaft durchsetzen, zudem stieß sein harter Umgang mit Ludwig dem Frommen sowohl beim Volk und den Großen des Frankenreiches als auch bei Pippin und Ludwig dem Deutschen auf Widerstand, sodass noch vor dem Ende des Jahres 833 das Bündnis der Brüder auseinanderbrach. Schon Anfang 834 sah sich Lothar der offenen Feindschaft Ludwigs von Bayern, bald auch Pippins von Aquitanien gegenüber. Sie versammelten im Februar 834 ihre Heere und zogen, Pippin vom Westen, Ludwig vom Osten, gegen Lothar, der zu der Zeit in Paris Hof hielt. Nachdem Lothar sich vor dieser nahenden Übermacht Ende Februar 834 nach Burgund zurückgezogen hatte, wurde Ludwig der Fromme am 1. März 834 in St. Denis aus der Kirchenbuße entlassen und wieder als Kaiser anerkannt. Im Spätsommer 834 konnte Ludwig der Fromme bei Blois die Unterwerfung Lothars entgegennehmen. Er beließ ihm Italien, gebot ihm aber, dieses Land nicht eigenmächtig zu verlassen.

Die Ausstattung des jüngsten Kaisersohnes Karl blieb jedoch auch nach 834 ein offenes Problem. Auf einer Reichsversammlung in Aachen im Oktober 837 sprach Ludwig der Fromme erneut bedeutende Gebiete zwischen Friesland und der Seine dem jungen Karl zu, was wieder Spannungen mit den anderen Brüdern auslöste, eine Situation die bis zum Lebensende Ludwig der Fromme, der am 20. Juni 840 auf einer Rheininsel bei Ingelheim verstarb, anhielt.

Der Anfang vom Ende des vereinten Karolingerreiches

Zweimal (831 und 833) wurde Ludwig von seinen Söhnen Lothar I., Pippin von Aquitanien und Ludwig dem Deutschen gestürzt. Zweimal konnte er sich behaupten, und wurde zwei Mal wieder eingesetzt. Aber diese Ereignisse verkünden den Anfang vom Ende des vereinten Karolingerreiches. Ludwigs Tod am 20. Juni 840 war der Auftakt zu einer Reihe von militärischen Auseinandersetzung zwischen dessen Söhnen die am 25. Juni 841 in der Schlacht von Fontenoy-en-Puisaye ihren Höhepunkt fanden und Lothar und Pippin II. (Pippin von Aquitanien war im Dezember 838 gestorben und dessen Sohns Erbanspruch wurde übergangen) auf der einen, und Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen auf der anderen Seite wiederfand. 

Europa nur noch eine geistige Größe

Seit dem Scheitern der Politik Ludwig des Frommen war Europa keine politische Größe mehr, sondern eine geistige.

In der Karolingerzeit gründete das Einheitsbewusstsein Europas in dem in lateinischer Sprache formulierten römischen Christentum. Diese Einheit ist politisch gestiftet worden. Clodwig hat sie durch die Taufe im katholischen Bekenntnis ermöglicht, der Vater Karls des Großen, Pippin (751 – 768) hat diese Vereinheitlichung begonnen, Karl der Große (768 – 814) hat sie ausgebaut und sein Sohn Ludwig der Fromme (814 – 840) hat sie im Geistigen fortgeführt und wollte sie politisch mit der Ordinatio imperii verfestigen, ist aber gescheitert.

Es dauerte bis August 843, bis die überlebenden Söhne Kaiser Ludwigs des Frommen im Vertrag von Verdun 843 das Fränkische Reich der Karolinger in drei Herrschaftsgebiete aufteilten.

Bilder Quellen: 

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charlemagne_et_Louis_le_Pieux.jpg

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