Die Katharer

Die Papst-geleitete Kirche sah sich zahlreichen anderen Problemen gegenüber, insbesondere die Ketzerbewegung mit den Katharern und die Armutsbewegung mit den Waldensern, die seit 1190 von Lyon aus, eine zunehmende Anhängerschaft fand. Zudem begannen weltliche Herrscher, eigene, kirchen-unabhängige Herrschaftsideologie zu entwickeln. Selbst in Rom bildet sich um 1144 ein weltlicher Senat, der die politische Herrschaft des Papstes abzulösen versucht. Hinzu kam das Problem des Bevölkerungswachstums: Bedingt durch günstige klimatische Umstände und neue Entwicklungen in der Landwirtschaftstechnik setzte im 11. Jahrhundert ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Der Bevölkerungsüberschuss führt zu einer Expansion in die Peripherien Europas: auf die Iberische Halbinsel, nach Irland, Germania Slavica, dem Baltikum und eben auch ins Heilige Land. In den Städten und an den Höfen entsteht eine weltliche Kultur.  Die Bedeutung der Kloster- und Domschulen nahm ab, während die Universitäten prosperierten, wodurch eine qualifizierte Kritik an Kirche und Klerus möglich wurde. Doch bei allem Chaos und vermeintlichen Führungsschwäche in Rom, war die Antwort der Kirchenaristokratie auf die Herausforderungen kraftvoll und skrupellos. Auch wenn das fünfte Gebot, Du sollst nicht töten, völlig eindeutig ist, erfand die heilige Kirche die Kreuzzüge (die anfänglich als bewaffnete Pilgerfahrten bezeichnet wurden) gegen alle Feinde des Reiches. Zusätzlich zu gegen die muslimischen Staaten des Nahen Ostens gerichtete Kreuzzüge, gab es auch brutale Kreuzzügen gegen die Katharer und Waldenser. Des Weiteren gab es Kreuzzüge gegen „Heiden“ wie Wenden, (zwar nie offiziell aber faktisch) gegen die Ostkirche in Konstantinopel und allgemein gegen politische Gegner des Papsttums (z.B. gegen König Manfred von Sizilien oder Peter III. von Aragón).

Bei dem äußerst brutalen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, gegen die Katharer und anderen Häretiker, fanden geschätzte 100.000 „Ketzer“ den Tod. Die Feldzüge im heiligen Krieg gegen die Ungläubigen im Orient sollen Millionen das Leben gekostet haben. Aber die Kreuzzüge boten auch den überzähligen adligen Söhnen, die nicht im Kloster oder im Klerus untergebracht werden konnten oder wollten, eine willkommene Beschäftigung (und viele werden froh gewesen sein, diese Raubritter los zu sein.)  Die meisten „Kreuzzüge“ waren nicht erfolgreich und die Idee verlor rasch ihre Zugkraft. Darum suchten und fanden die Päpste ein neues Instrument der Unterdrückung in der heiligen Inquisition.

Die Dominikaner,

benannt nach deren Gründer Domingo de Guzmán Garcés, hatten sich so wunderbar um die verirrten Seelen der Katharer, die nicht den Märtyrertod in den Flammen gesucht hatten, gekümmert. Diese Horde williger Bettelmönche, waren ideal um das gottlose Handwerk der Inquisition (als domini canes, Hunde des Herrn) im Namen der Päpste zu exekutierten. Dominikus hatte sich zuerst den Zisterziensermönchen angeschlossen aber bald bemerkt, dass deren Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung beschädigt war, was er auf die materielle Verweltlichung der Kirche und ihrer Amtsträger zurückführte. Und so gründete Dominikus das Kloster Brouille nahe Toulouse, verschärfte die Augustiner Regel durch strengere Vorschriften bezüglich Besitz, Armut und Askese, und erhielt so 1216 die päpstliche Bestätigung für seinen „Orden der Predigerbrüder“.  Dominikus legte großen Wert auf Bildung, denn die Dominikaner mussten intellektuell gut gerüstet sein, um den Argumenten der Ketzer zu begegnen. Schon 1217 sandte Dominikus die Brüder nach Spanien und Paris aus und beließ nur einen kleinen Teil in Toulouse.  Die Orden in Paris und Bologna trugen wesentlich dazu bei, dass der Orden durch Lehrstühle an den entstehenden Universitäten und durch Einrichtung eigener Generalstudien, bald eine führende Rolle in der mittelalterlichen Wissenschaft einnehmen konnte. Wie die Dominikaner den Widerspruch zwischen christlicher Nächstenliebe und Hexenverbrennungen wissenschaftlich auflösen konnten ist bemerkenswert. Das strenge Armutsprinzip jedenfalls wurde schon bald gelockert und 1425 gänzlich abgeschafft.

Die zweite Strategie der Kirchen und er Aristokratie um die Macht zu festigen war, ein unvergleichliches Bauprogramm aufzulegen: die gewaltigen Kathedralen, Burgen und Klöster aus dieser Epoche bildeten das zivilisatorische Grundgerüst Europas: Wie die Gesellschaft damals gleichzeitig Kreuzzüge im Orient und gegen die Ketzer und die explosions-artige Expansion der Klöster (Cluny und Cîteaux) sowie den Bau der gotischen Kathedralen (Sens, St. Denis, etc…) mit einer Population von ca. 6 Millionen und den noch beschränkten technischen Mitteln stemmen konnte, ist, wie die Konstruktion einiger der Monumente selbst, heute noch ein ungelöstes Rätsel. Aber die Menschen waren ausgelastet und dadurch die Macht des Königs und der Kirche erst einmal wieder gefestigt.

Die Katharer

sahen sich als die wahren Nachfolger der Apostel. Ihre Lehre basierte auf einer dualistischen Anschauung, zweier gegensätzlichen, dem Menschen innewohnender Prinzipien: 1) das ewige, unvergängliche Gute = Gotteswerk und 2) die vergängliche, materielle Welt des Bösen. Die unsterbliche Seele ist eingesperrt, im fleischlichen Gefängnis unseres Körpers. Gott sandte Jesus Christus nicht auf die Welt für den Loskauf von der Erbsünde, sondern um den Menschen den Weg des Heils zu zeigen, mit dem die vom Bösen verdorbene Seele ins Reich Gottes gelangen könne. Die Katharer glaubten an Gott im Himmel, aber die Erde mit ihren Übeln, Krankheiten, Krieg und Not habe nicht Gott erschaffen, sondern Satan. Das galt insbesondere auch für den Vatikan mit seinen korrupten Päpsten.  Das konnte Papst Innozens III. unmöglich auf sich sitzen lassen, weshalb er den französischen König Philipp II den Auftrag gab, die verruchten Häretiker zu bekämpfen. Dem kam der König gerne nach, denn Okzitanien war schon damals eine reiche, blühende Kultur, in der sich die Feudalherren in den Städten, unerhörter Weise, Macht und Eigentum mit städtischen Institutionen (Stadträten) teilten. Zudem stand der okzitanische Adel in Gegnerschaft zum König von Frankreich Philipp II. und war zunächst größtenteils auf Seiten der Katharer. Der von Philipp entsandte Simon IV. de Montfort führte zwischen 1209–1229 in mehreren Phasen Kreuzzüge (Albigenserkreuzzug) gegen die Katharer und richtete verheerende Schäden und großes menschliches Leid an. Der Kreuzzug brachte zwar die militärische Niederlage der mit den Katharern verbündeten Fürsten und letztlich die Eingliederung Okzitaniens in das Königreich Frankreich, nicht aber die vom Heiligen Stuhl erhoffte vollständige Ausrottung der Katharer und ihrer Organisation. Deshalb verschärfte die 1229 unter Papst Gregor IX. tagende Synode von Toulouse, die Bestimmungen gegen die Ketzer: Die geheimen Zufluchtsorte der Ketzer sollten aufgespürt und entdeckte Ketzer gefangen gesetzt werden, wozu auch das Mittel der heimlichen Denunziation angewandt werden sollte. Wer einen Ketzer verbarg, wurde mit dem Verlust des Vermögens oder gar mit dem Tod bedroht. Jedes Haus, in dem man einen Ketzer fände, sollte niedergerissen werden. Wer mit einem Ketzer verkehrte – sei es auch nur in einem Wirtshaus – oder ihm Almosen gab oder mit ihm verheiratet war, war ebenso verdächtig. Der auf eine Vorladung nicht Erschienene oder Flüchtige galt ohne weiteres als schuldig. Wer erschien, wurde allerdings eingekerkert. Überdies wurde für das Gebiet der Kirchenprovinz ein dichtes Netz an Visitationen angeordnet, wie es später für die Inquisition charakteristisch werden sollte. 1231 legte Papst Gregor IX. in einem neuerlichen Edikt, die strafrechtlichen Bestimmungen für die Ketzerverfolgung fest. Papst Innozenz IV. genehmigte in seiner 1252 erlassenen Dekretale Ad extirpanda die Folter zur Wahrheitsfindung bei Inquisitionsprozessen.

Der letzte Albigenserbischof Belibaste wurde 1321 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Letzte inquisitorische Untersuchungen unternahm der Inquisitor Jacques Fournier (der spätere Papst Benedikt XII.) bis 1325 in den Pyrenäen.

Bilder Quellen: Datei:130610-Queribus-03.jpg-Wikipedia https://images.app.goo.gl/DY8QJFeEaz5idttD6

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