Mitten im sogenannten „100-jährigen Krieg“ zwischen den Herrscherhäusern Englands und Frankreichs fiel mit dem Tod Philippe I von Rouvres, das Herzogtum Burgund zurück an die französische Krone. Im Jahre 1363 verlieh der französische König Johann der Gute aus dem Haus Valois das Herzogtum als französisches Kronlehen an seinen jüngsten Sohn
Philipp der Kühne
der damit zum Begründer des „Haus Burgund“ werden sollte. Bis 1482 regierten die Herzöge aus dem Haus Valois–Burgund, den burgundischen Herrschaftsverbund und führten ihn im französisch-deutschen Grenzraum zu größter Ausdehnung und wirtschaftlich-kultureller Blüte. Philipp der Kühne heiratete 1369 die Witwe seines (Kapetinger-) Vorgängers Margarethe von Male – Erbtochter des flämischen Grafen Ludwig II. – und kam so nach dem Tod seines Schwiegervaters in den Besitz der zum Lehnsverband des Heiligen Römischen Reiches gehörenden Freigrafschaft Burgund und der teilweise dazugehörenden Grafschaft Flandern. Die burgundischen Herzöge bauten einen eigenständigen Länderkomplex zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich auf, zu dem neben dem eigentlichen Herzogtum Burgund mit Dijon als Hauptstadt die burgundischen Niederlande mit den wirtschaftlich florierenden Städten Gent, Brügge, Ypern und Löwen gehörten, aus denen die heutigen Benelux-Länder hervorgingen. Zentrum der symbolischen Repräsentation war als Residenz und Grablege Dijon, während die Städte Flanderns als Wirtschafts- und Handelszentren die Burgunderherzöge durch ihre Abgaben zu den reichsten Monarchen Europas machten. Die Burgunder Herzöge Philipp der Kühne und Johann Ohnefurcht waren Mitglieder des französischen Königshauses und bestimmten die Politik Frankreichs während der Regierungszeit des psychisch kranken Königs Karls VI. (1380–1422) im entscheidenden Maße mit.
Johann Ohnefurcht
Wurde 1404 der Nachfolger von Philipps des Kühnen als Herzog von Burgund. Johann wuchs in Flandern auf und sprach neben Französisch auch Flämisch. Französische Geschichtsbücher haben wenig Sympathie für Johann oder spätere Angehörige des Haus Burgund, denen man vorwirft, im Hundertjährigen Krieg, England gegen Frankreich ausgespielt zu haben. Johann wird in französischen Quellen wie folgt beschrieben: „ein kleiner, dunkler Mann mit blauen Augen, vollem Gesicht, festem Blick, und hartem Kinn, …mit massigem, eingedrücktem Schädel; er hat kein feines Benehmen und keine Grazie, das Sprechen fällt ihm schwer, er versteht nicht aufzutreten und vernachlässigt seine Kleidung, wenn er sich nicht ostentativ in Gewändern zeigt, die mit Schmuck überladen sind. Er ist ein Flame, der das Blut von Hennegau in sich hat“. Und so weiter. Bei aller Grobschlächtigkeit gelange es Johann immerhin, das Herzogtum Burgund durch geschickte Heiratspolitik massiv zu erweitern. Mit ihm bürgerte sich der Wahlspruch „Bella garant alii. Tu felix Burgundia, nube“ ein, den später die Habsburger für sich und Österreich in Anspruch nahmen, nicht das Einzige, was die Habsburger aus dem Burgund mit nach Wien nahmen.
Frankreich war zu dieser Zeit in einer tiefen Krise: der König Karl VI, war wahnsinnig und er seine Söhne unter dem Einfluss der Herzogssippe von Orleans bzw. Armagnac geraten. Als der englische König Heinrich V. 1415 mit Truppen in Frankreich landete, konnte Johann Burgund, das als französisches Lehen eigentlich zur Hilfeleistung verpflichtet war, aus dem Konflikt heraushalten, indem er Heinrich V. und seine Nachkommen, als französische Thronerben anerkannte.
Schließlich rief Isabella von Bayern, die Mutter des französischen Thronfolgers (Karl VII), Johann zu Hilfe, der 1418 feierlich in Paris einzog. Ein Jahr später, am 10. September 1419 wurde Johann vom Dauphin zu einer Unterredung auf die Yonne-Brücke bei Montereau gelockt und dort von dessen Begleitern Tanneguy du Chastel und Jean Louvet hinterrücks erstochen. Sein Nachfolger als Herzog von Burgund wurde sein ältester Sohn Philipp.
Philipp der Gute (1396 bis 1467)
Wie auch sein Nachfolger verstanden sich als souveräne Herrscher eines eigenständigen Reiches und trieben im Hundertjährigen Krieg eine eigenständige Politik, indem sie sich zu ihrem Vorteil mal mit der einen, mal mit der anderen Seite, meist jedoch mit den Engländern verbündeten. Philipp hatte von seinem Vater Johann die Liebe für den Prunk, prachtvolle Aufzüge und Ritterspiele übernommen. Auch er konnte sein Reich erweitern und erhielt 1453 im Friedenskongress von Arras als Sühneleistung für die Ermordung seines Vaters, vom französischen König Karl VII Auxerre mit dem Auxerrois, Bar-sus-Seine, Luxeuil, die Städte an der Somme, das Ponthieu und Boulogne-sur-Mer. Zudem erlangte er die Entbindung der Huldigungspflicht gegenüber dem französischen König und verweigerte auch dem Kaiser den Lehnseid.
Hundertjähriger Krieg
Der Begriff „Hundertjähriger Krieg“ bezeichnet die Zeit von 1337 bis 1453, in der englische Könige versuchten, ihre Ansprüche auf den französischen Thron mit Waffengewalt durchzusetzen, nachdem 1328 der letzte männliche Kapetinger und französische König Karl IV starb und keine direkten Nachkommen hinterlassen hatte.
1066 hatte der normannische Herzog Wilhelm I. England erobert und sich dort zum König ausgerufen. In der Folge stellten sich die mit ihm ins Land gekommenen Adligen die neue Aristokratie Englands. Sie blieben der französischen Herkunft noch lange kulturell eng verbunden, die englische Sprache setzte sich erst ab 1250 nach und nach in der herrschenden Schicht durch. Zudem verfügten die englischen Aristokraten bis ins 13. Jahrhundert oftmals noch über teilweise beträchtlichen Grundbesitz in Frankreich.
Eine oft übersehene Auswirkung des Hundertjährigen Krieges war die Entstehung Portugals. Die Portugiesische Revolution von 1338, ein Aufstand des portugiesischen Volks gegen die eigentlich legitime Herrschaft von Johann I. von Kastilien, führte zu einem „Stellvertreterkrieg“ zwischen England, das Portugal unterstützte und Frankreich, das auf der Seite Kastiliens stand.
Nach der Schlacht von Aljubarrota am 14. August 1385 gab Kastilien die portugiesischen Gebiete auf. England und Frankreich waren kriegsmüde und strebten nun einen temporären Frieden an, was gleichzeitig das Ende der ersten Phase des Hundertjährigen Krieges bedeutete.
Zwei Jahre später wurde Johann von Avis, der unehelich Sohn von König Peter I., zum König Johann I. von Portugal gekrönt, das damit den ersten König erhielt, der mit Hilfe des Bürgertums an die Macht gekommen war.
Quelle:
Bild Quelle: Von verschiedene unbekannte Künstler – Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c 1450 – 1480, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3474222